Geschichten aus dem Leben mit einer seltenen Erkrankung

"Reisen bedeutet für mich Freiheit – raus aus dem Alltag, neue Orte entdecken und einfach das Leben genießen.“
Ruth Kleeberger, PNH-Patientin

"Ich wurde sehr viel selbstsicherer im Umgang mit meiner ITP: Ich informierte mich, wo ich konnte, nahm an Patientenveranstaltungen teil und wurde so Experte für mich selbst."
Katharina, ITP-Patientin

"Heute geht es mir besser. Auch zu sehen, was sich seit 1981 in der Behandlung getan hat, macht mir Mut."
Manfred, PNH-Patient
Das Leben ist eine Reise – und ich lasse mich nicht aufhalten
Mein Name ist Ruth Kleeberger, ich bin PNH-Patientin und leidenschaftliche Reisende. Meine Diagnose erhielt ich im Jahr 2020, mitten in der Corona-Pandemie. Es begann mit Kopfschmerzen, die ich nicht einordnen konnte. Nach einer Reihe von Untersuchungen stellte sich heraus, dass ich eine Thrombose im Kopf hatte – und die seltene Erkrankung PNH. Die Diagnose war ein Schock, aber gleichzeitig auch eine Erleichterung: Endlich wusste ich, was mit mir los war, und konnte mich auf die Behandlung konzentrieren.
Seitdem hat sich mein Leben verändert, doch ich habe gelernt, damit umzugehen. Ich nehme meine Medikamente regelmäßig ein und habe feste Routinen entwickelt, die mir Sicherheit und Flexibilität geben. Diese Struktur ermöglicht es mir, meinen Alltag weitgehend unabhängig zu gestalten. Das Wichtigste für mich ist, dass ich weiterhin reisen kann – mein großes Hobby und meine Leidenschaft.
Reisen bedeutet für mich Freiheit. Es ist meine Möglichkeit, dem Alltag zu entfliehen und die Welt zu entdecken. Natürlich erfordert das mit PNH eine sorgfältige Planung: Ich stelle sicher, dass ich meine Medikamente immer dabeihabe, und habe immer einen Plan B, falls etwas Unvorhergesehenes passiert. Gemeinsam mit meinem Mann habe ich Wege gefunden, wie ich mit meiner Erkrankung mobil und unabhängig bleiben kann.
Ich liebe es, mit dem Auto zu reisen oder Flusskreuzfahrten zu machen. Flugreisen vermeide ich, aber das ist kein Problem – Europa hat so viele schöne Orte, die ich noch entdecken möchte. Mein Ziel ist es, so viel wie möglich zu erleben und das Leben zu genießen.
Meine Erkrankung hat mich gelehrt, auf meinen Körper zu hören und meine Grenzen zu respektieren. Aber sie hat mich nicht davon abgehalten, meine Träume zu verfolgen. Ich habe die Erkrankung im Griff, nicht die Erkrankung mich.
Für andere Menschen mit PNH, die gerne reisen möchten, habe ich einen einfachen Rat: Gute Vorbereitung ist alles. Wenn man sich gut organisiert, kann man auch mit einer seltenen Erkrankung die Welt entdecken. Ein wichtiger Schritt dabei ist, vor der Reise den behandelnden Arzt aufzusuchen. Der Arzt kann den aktuellen Gesundheitsstatus prüfen und wertvolle Hinweise geben, ob die geplante Reise machbar ist und welche zusätzlichen Vorkehrungen sinnvoll sein könnten. Mit einer sorgfältigen Planung und Organisation kann man auch mit einer seltenen Erkrankung die Welt entdecken. Es ist wichtig, sich nicht von der Diagnose entmutigen zu lassen, sondern das Leben aktiv zu gestalten und die schönen Momente bewusst zu genießen.
Wenn eine Erkrankung zu einer Achterbahn wird - Katharina schildert ihre Erfahrungen mit ITP für Selten Vereint
Mein Name ist Katharina und ich bin 40 Jahre alt. Vor ca. 20 Jahren bekam ich die Diagnose Immunthrombozytopenie (ITP). Zu dieser Zeit waren mir schon länger große Hämatome an verschiedenen Körperstellen aufgefallen. Ich wunderte mich darüber, dachte mir aber nichts dabei. Als großflächige Hauteinblutungen und plötzliches, heftiges Nasenbluten dazu kamen, wurde in der Notaufnahme eine akute Thrombozytopenie festgestellt, der Thrombozytenwert lag damals bei null. Nach der Notfallbehandlung mit Thrombozytenkonzentraten und Kortison wurde ich in die nächstgrößere Uniklinik verlegt, wo die Diagnose ITP gestellt wurde. Man vermutete die Einnahme von Ibuprofen als Auslöser und war der Annahme, dass es sich um ein einmaliges Phänomen handeln würde. Dass die ITP chronisch verlaufen kann, wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht und war entsprechend erschüttert, als bei meinem nächsten hausärztlichen Kontrolltermin der Thrombozytenwert erneut gefährlich niedrig war.
Der Weg führte mich zu mehreren Fachärzten, die mir verschiedene Therapien vorschlugen. Auch die Milzentfernung wäre eine Option, die ich aus meinem Bauchgefühl heraus aber ablehnte. Ich war extrem verunsichert und die Angst einer plötzlichen inneren Blutung war mein ständiger Begleiter. Dazu kamen Zukunftsängste. Würde ich arbeiten oder Kinder bekommen können? Wie ist meine Lebenserwartung? Informationen über die ITP zu finden, war sehr schwer. Das Internet gab kaum etwas her und die sozialen Netzwerke, wie sie heute existieren, gab es ebenfalls noch nicht. Die Thrombozytenwerte schafften es selten auch nur in den zweistelligen Bereich und ich hatte regelmäßig sehr große Hämatome. Ich litt darunter und wurde mitleidig behandelt oder einfach nur fragend angeschaut. Zusätzlich hatte ich ständig Infekte und Erkältungen, die mein Immunsystem nicht abwehren konnte. Trotzdem wurde mir wenig Verständnis für meine Niedergeschlagenheit und Erschöpfung entgegengebracht, weil die Krankheit für Außenstehende so schlecht greifbar ist.
Durch den Tipp meiner Hausärztin fand ich die Selbsthilfegruppe von Gabriele Arnold. Frau Arnold vermittelte mir eine Ansprechpartnerin in meiner Nähe, die mir geduldig vieles erklärte, was ich von keinem Arzt vorher gehört hatte, und gab mir wertvolle Ratschläge. Dafür bin ich bis heute sehr dankbar. Durch ihre Kontakte fand ich auch endlich einen Hämatologen, von dem ich mich ernst genommen fühlte. Nach mehreren gescheiterten Therapien einigten wir uns auf „Watch-and-Wait", also beobachten und abwarten. Nur bei sehr starken Blutungszeichen nahm ich, unter ärztlicher Begleitung, stoßweise Kortison. Durch die Begleitung meines Hämatologen entwickelte ich schnell ein Gefühl dafür, wie hoch meine Thrombozyten waren und ob medikamentöses Eingreifen nötig war. Ich habe gelernt, nicht nur dem Blutbild, sondern auch meinem Körper zu vertrauen. Ich wurde sehr viel selbstsicherer im Umgang mit meiner ITP: Ich informierte mich, wo ich konnte, nahm an Patientenveranstaltungen teil und wurde so Experte für mich selbst. Ausgestattet mit diesem Selbstbewusstsein sowie der Unterstützung meines Hämatologen und einer großartigen Gynäkologin traute ich mir 2010 eine Schwangerschaft zu. Diese brachte mich mental noch einmal an meine Grenzen, denn bis zur Geburt gab es viele Unsicherheiten und kritische Situationen. Mein Sohn wurde schließlich per Kaiserschnitt geboren, glücklicherweise kerngesund und mit normalen Blutwerten. Auch ich habe die Geburt trotz sehr niedriger Thrombozytenwerte gut überstanden und mich schnell erholt.
Nach einem weiteren Therapieversuch zeigten sich Verbesserungen in meinen Blutwerten, insbesondere bei den Thrombozyten. Bis auf einige verschiedene Ereignisse wie Infektionen, Impfungen, nicht-therapiebezogene Medikamente, Nahrungsergänzungsmittel, Stress und zu wenig Schlaf, die meine Blutwerte verändern können, lebe ich fast beschwerdefrei. Jedoch habe ich weiterhin auch mit Erschöpfung und Müdigkeit zu kämpfen, was eine Folge der ITP an sich ist.“. Ich habe für mich beschlossen, möglichst (aber nicht übertrieben) gesund zu leben. Ich rauche nicht, trinke wenig Alkohol und versuche mich gesund zu ernähren. Ich achte auch auf eine gute Vitamin- und Nährstoffversorgung sowie ausreichend Schlaf und Bewegung. Stresssituationen versuche ich, wann immer möglich, zu umgehen oder gut zu planen. Mein Leben lasse ich jedoch nicht von der ITP bestimmen. Alle drei Monate bin ich zur Kontrolle in der Uniklinik. Dazwischen reise ich viel mit meiner Familie und arbeite halbtags als Sozialpädagogin. Somit habe ich neben dem Familienleben und meiner Arbeit noch genügend Raum für Ruhepausen. Für die Zukunft plane ich eine freiberufliche Tätigkeit, die es mir erlaubt, meinen Tagesablauf noch individueller zu gestalten und die ich auch dann noch ausführen kann, wenn ich körperlich mehr eingeschränkt sein sollte. Ich bin im Austausch mit anderen ITP-Patienten, was es mir ermöglicht, meine Erfahrungen weiterzugeben und neues Wissen zu sammeln. Damit habe ich mein Gleichgewicht gefunden und hoffe, dass das noch viele Jahre so bleibt. Es war ein langer Weg, im Umgang mit meiner ITP sicher zu werden und die ITP zu akzeptieren, denn das ist ein Prozess. Versuchen Sie Ihre ITP anzunehmen, sich aber nicht von ihr bestimmen zu lassen. Mit ITP zu leben, heißt nicht, dass die ITP das Leben dominiert.
Wenn eine Erkrankung zu einer Achterbahnfahrt wird – Höhen und Tiefen der PNH

Manfred Onken hat bereits einen beeindruckenden Lebensweg hinter sich. Seine Stärke und Positivität haben ihm geholfen mit all den Hürden und Einschränkungen umzugehen, die ihm in seinem Leben begegnet sind. Im Interview erzählt er von seinen Erfahrungen und seinem Leben mit der seltenen chronischen Erkrankung, der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie (PNH).
Wenn Sie den Weg zu Ihrer PNH-Diagnose beschreiben würden, wie sähe dieser aus?
Holprig und mit vielen Höhen und Tiefen. Der Weg war nicht immer einfach zu beschreiten, aber ich bin kein Mensch, der schnell aufgibt. Ganz im Gegenteil: Ich versuche mich immer auf die Phasen zu fokussieren, in denen es mir gut geht.
Wann haben Sie das erste Mal die Auswirkungen Ihrer Erkrankung bemerkt?
Das war 1981, also als ich 13 Jahre alt war. Ich war ein sehr aktives Kind und habe viel und gerne Fußball gespielt. Eines Tages haben meine Eltern große Hämatome an meinen ganzen Körper entdeckt und sind mit mir zum Hausarzt gefahren. Der Hausarzt hat mir daraufhin Blut abgenommen und schnell festgestellt, dass ich eine sehr geringe Anzahl an Thrombozyten (Blutplättchen) hatte. Ich wurde direkt ins Krankenhaus eingeliefert, doch was mit mir los war, wusste keiner.
Im Krankenhaus wurde ich dann mit Medikamenten behandelt, die zunächst scheinbar angeschlagen haben, weshalb ich wieder nach Hause durfte. Eine wirkliche Diagnose bekam ich allerdings nicht. Mir wurde nur gesagt, dass ich fortan nicht mehr so viel toben und sportlich aktiv sein sollte und dass ich wegen der erhöhten Infektionsgefahr nur noch zu Hause unterrichtet werden darf. Aber wer hält sich in diesem Alter denn schon an das, was man gesagt bekommt? Was mich eingeschränkt hat, waren allerdings die vielen Infekte, weswegen ich immer wieder ins Krankenhaus musste. Das hat mir sehr viel Kraft genommen. Zusätzlich fühlte ich mich mehr und mehr erschöpft, müde und ausgelaugt.
Wie war der weitere Verlauf der Erkrankung und wann erhielten Sie dann endlich eine Diagnose?
Trotz anhaltender Erschöpfung und Kurzatmigkeit schien sich bis 1999 alles einigermaßen eingependelt zu haben. Doch auf einmal kam es zu einem gravierenden Schub, der sich durch starke Abgeschlagenheit und extreme Müdigkeit äußerte. In der Klinik wurde mir zunächst Blut abgenommen. Der Arzt stellte fest, dass mein Laktatdehydrogenase-Wert stark angestiegen war. Um genau diagnostizieren zu können, woran ich litt, wurde mir anschließend Knochenmark entnommen. In diesem Moment wurde mir klar, dass irgendetwas nicht stimmte. Eine wirkliche Diagnose hatte ich zu dem Zeitpunkt leider immer noch nicht. Ich musste seitdem jedoch regelmäßig zur Kontrolle meiner Blutwerte bei meinem Hausarzt vorstellig werden.
2008 kam es dann erneut zu einem Schub von extremer Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Ich stellte an dem Tag fest, dass ich Hämoglobin, also den roten Blutfarbstoff, im Urin hatte (Hämoglobinurie). Nach Rücksprache mit meinem Hausarzt wurde ich wieder ins Krankenhaus eingeliefert, wo ich dann die Diagnose PNH gestellt bekommen habe.
Wie ist es Ihnen ergangen, als Sie die Diagnose endlich hatten?
Ich erhielt eine adäquate Therapie, durch die ich meine PNH etwas mehr in den Griff bekommen habe, aber wirklich besser ging es mir nicht. Ich litt immer noch an starker Erschöpfung, Kurzatmigkeit und vermehrt an Muskelschmerzen.
Ich musste auch immer wieder zur Behandlung in die Klinik fahren, was mich stark eingeschränkt hat. Vor allem, weil ich zusätzlich zu meiner Therapie noch Bluttransfusionen erhalten musste. Aufgrund der Vielzahl an Symptomen und Schmerzen wurde ich frühzeitig berentet. Trotz all dieser Einschränkungen habe ich dennoch versucht so gut wie es geht am Leben teilzuhaben.
Mein Arzt stand mir beiseite und ich habe mich sehr gut in der Klinik aufgehoben gefühlt. Ich spreche noch heute sehr offen mit meinem Arzt über meine Bedürfnisse und Fragen. Auch meine Symptome waren immer mal wieder Thema im Gespräch.
Wie gehen Sie heute mit Ihrer Erkrankung um?
Heute geht es mir besser. Auch zu sehen, was sich seit 1981 in der Behandlung getan hat, macht mir Mut. Die Therapien, die aktuell verfügbar sind, können Patienten mit PNH helfen ein weitgehend gutes und flexibles Leben zu führen. Ich kann jedem Patienten raten, mit seinem Arzt über die Symptome und die eigenen Bedürfnisse zu sprechen, denn es ist möglich, eine gute Lebensqualität mit PNH zu erreichen.
Mir hilft es auch manchmal mit anderen Betroffen zu sprechen, denn es kann durchaus hilfreich sein, einen Gleichgesinnten um Rat zu fragen oder sich über die Erkrankung auszutauschen. Zudem gibt es auch Patientenorganisationen, an die man sich bei Fragen wenden kann. Wichtig ist, mutig und stark zu sein, denn auch ich bin trotz aller Hürden mit PNH älter geworden.